Von MICHAEL BISCHOFF und BIRGITT SCHIPPERS
Köln – Als sich nach drei Stunden alle glücklich in den Armen liegen, haben sie ihn geschafft: Den ersten Rosenmontagszug 1823 in Köln und einen jecken Sieg über die sturen Preußen. Jetzt gilt: Fiere statt Verbote und Kamelle statt Kanonen. Das neue Zillche feiert das Karnevalsjubiläum mit der kölschen Musical-Operette “Fastelovend zesamme!” – und wir waren natürlich dabei.
Aufstand gegen humorlose Preußen
Die Story ist übersichtlich: Die kölschen Frauen möchten endlich einmal richtig Karneval feiern. Die reichen Bürgerinnen Liss und Jriet wollen es vornehm in ihren Salons. Änni und Stina dagegen wollen es mit den armen Handwerkern und Marktleuten viel lieber laut auf der Straße. Was alle Frauen eint, das ist der Aufstand gegen die Verbote der humorbefreiten Preußen.
Dafür müssen sie ihre Kräfte bündeln, ihre eitlen Männer zum Mitmachen überreden und die Berliner Besatzer überzeugen. Als der preußische Sekretär Otto von Stiesel als erster dem Charme der Damen erliegt, nimmt eine kunterbunte Verwechslungsstory Fahrt auf. Mittendrin klagt ein Ex-Kardinal über leere Kirchen und ein (ein)gebildeter Kölner über Bildung: “Wenn wir die Doofen mit Bildung schlau machen, wie kriegen wir die Schlauen später wieder doof?”
Von “Gras-Preisbremsen” und “Kutschen-Maut”
Der freche Höhepunkt spielt allerdings ausgerechnet in Berlin: Dort klagen die Minister über zu viele Kutschen auf den verstopften Straßen und die steigenden Graspreise: “Auch wenn die Gras-Speicher zu 100 Prozent gefüllt sind, die meisten Menschen können sich das Gras nicht mehr leisten.” – “Dann brauchen wir eine Gras-Preisbremse” – “In Bayern führen wir eine Kutschen-Maut ein. Aber nur für Ausländische aus Preußen.”
Minister Klabautermann spitzt es zu: “Wenn sich die Gespräche so im Kreise drehen, sollte man eine Turbine dranmachen. So könnte man ganz Berlin beleuchten.” Da das stimmlich so nach dem aktuellen Kölner Gesundheitsminister klingt, kreischt das Publikum vor Vergnügen. Seine Parodie ist hinreißend. Hier hat das Zillche endlich Topfahrt aufgenommen. Denn – auch das müssen wir anmerken – es wird leider viel zu oft pathetisch wie im Unterricht referiert.
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Booking.comZum Finale kommt der “Held Karneval”
Immerhin werden die Roten Funken als pazifistische Stadtsoldaten eingeführt, die “Hellige Knäächte un Mägde” einverleibt, die “Große von 1823” gegründet und der “Held Karneval” erfunden. Der erste Zoch steigt auf dem Neumarkt, und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ist begeistert.
Das Ganze würzen die Bergischen Symphoniker und Westwood Slickers mit rasanten Tönen von Vivaldi bis Bläck Fööss. Die wunderbaren kölschen Song-Texte gibts dabei erstmals auch zu lesen auf den seitlichen Monitoren im Zuschauerraum. Der Sound ist optimiert und das Männer-Ballett wieder einfach nur urkomisch. Großer Jubel zum Finale und rund 100 glückliche Männer auf der Bühne.
Und wir sagen YES! Da ist es wieder, unser Zillche. Nach zwei Jahren Corona-Bremse endlich wieder auf voller Fahrt vor großem Publikum. Bis zum 21. Februar im Staatenhaus (Oper). Es gibt sogar noch wenige Tickets.
Fotos: Birgit Schippers & Michael Bischoff
Was ist das Zillche?
Traditionen sind Trumpf. Gespielt wird immer in der Oper. Die Darsteller sind nur Kerle. Frauen auf der Bühne gibt’s keine. Gendern ist kein Thema, denn hier singt und tanzt ausschließlich der Kölner Männer-Gesang-Verein von 1842. Genauer: Es ist seine Bühnenspielgemeinschaft “Cäcilia Wolkenburg”.
Seit 1874 erzählt und parodiert sie in der Karnevalszeit urkomisch kölsche Geschichten als Divertissementchen (liebevoll auch Zillche genannt). Und im Publikum feiern seit 149 Jahren alle Kölner begeistert mit: Das Zillche gehört zu Köln wie der Dom.
Nächstes Jahr feiert die Cäcilia Wolkenburg ihr 150jähriges Jubiläum. Das Geburtstagsstück heißt “Zillche in Gefahr” (14. Januar bis 13. Februar 2024). Der Vorverkauf beginnt am 4. September 2023. Da dann die Preise steigen werden, kann sich das Stammpublikum jetzt schon einen Treuerabatt sichern.
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Der Schluss-Applaus
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