Brings: Zwischen Stadionrock und Schunkelzone

Brings bei ihrem Konzert auf dem Roncalliplatz 2023

Von unserer Redaktion

Wer Brings auf superjeilezick und Party reduziert, hat die Geschichte nicht verstanden. Die Band, 1990 von den Brüdern Peter und Stephan Brings gegründet, war nie nur Karneval. Im Gegenteil.

Die frühen Jahre klangen nach Rockpalast und rauem Tourleben – nicht nach Pappnase und Prunksitzung. Als Vorband von AC/DC, Tom Petty oder Simple Minds standen sie auf den großen Bühnen des Landes. Köln? Ja – aber bitte nicht mit Bütt und Orden. Ihre ersten Alben – Zwei Zoote Minsche, Kasalla, Hex’n’Sex – waren geprägt von Widerspruchslust, Sozialkritik und jeder Menge Verstärker. Stücke wie Handvoll ze fresse oder Ehrenfeld machten klar: Brings waren eine Band mit Haltung, nicht mit Hochglanz.

Lachende Pänzarena, Karneval, Kinder, Kölnarena, Foto: Hong Kayser, Brings
Das sin Brings: Kai Engel, Peter Brings, Christian Blüm, Harry Alfter und Stephn Brings

Der Karneval war eine Zufallsbekanntschaft

Dass sie trotzdem (oder gerade deshalb) im Karneval landeten, ist keine Ironie des Schicksals, sondern eine bewusste Entscheidung. Der Wendepunkt: Superjeilezick. Geschrieben von Peter Brings an einem finanziellen Tiefpunkt der Band. Alle waren Familienväter, niemand wusste, wie es weitergehen sollte. In dem Lied erinnerte sich Peter daran, wie wild und schön es früher mal. Das Abschiedslied veränderte das Leben der Band. Ihr Lied wurde zum XXL-Megahit, entwickelte sich 2000 zur Hymne für alle, die es gern laut, aber nicht seicht mögen. Der Rest ist kölsche Popgeschichte.

Warnungen vom Festkomitee

Brings machten die Bühne zur Spielwiese – und zogen mit „superjeilezicke” wie ein Tornado durch den Karneval. Das damals noch sehr verstaubte Festkomitee war empört wegen vermeintlicher „Drogenverherrlichung” und schrieb einen Brandbrief an alle Karnevalsgesellschaften: Brings solle auf keinen Fall gebucht werden – das Gegenteil passierte, wie so oft in Köln. Die Lieder wurden auch im Karneval nicht braver – mit dem Song „Poppe, Kaate, Danze” lösten Brings erneut Schnappatmung bei den hohen Herren aus – und Begeisterung im Volk. Seitdem ist viel passiert: Das Festkomitee hat sich komplett modernisiert, der ganze Karneval klingt modern. Brings waren Wegbereiter für Bands wie Cat Ballou, Kasalla und Querbeat. Lieder wie „Kölsche Jung” sind in Köln längst unsterblich. Sie coverten Zarah Leander, dichteten Fußball-Hymnen um, rockten für die Kölner Haie und luden zu Stadionkonzerten, bei denen 50.000 Menschen mitsangen, was viele vorher nicht einmal verstanden hatten.

Peter Brings ist Frontmann und zusammen mit Bruder und Bassist Stephan Gründer der Band. Kai Engels (Sohn des legendären Tommy Engels) steht am Keyboard, Harry Alfter spielt Gitarre und Christian Blüm, Sohn von Arbeitsminister a. D. Norbert Blüm (†84), sitzt am Schlagzeug. Die Bandformation hat sich nur einmal, im Jahr 1994 geändert. Damals rückte Blüm nach.

Immer noch eigensinnig

Brings sind heute nicht mehr die ewigen Rockrebellen – aber sie haben sich den Eigensinn bewahrt. Auf der Bühne sind sie immer noch fünf Typen, die sich lieber anschreien als auseinandergehen. Die sich nach dreißig Jahren Bandgeschichte noch trauen, einen Schottenrock zu lüften oder mit dem Publikum ein politisches Statement zu setzen – ohne es vorher in Watte zu packen. Im Studio und auf der Bühne haben sie sich nie auf eine Richtung festgelegt. Mal Bläser, mal Polka, mal Schweineorgel – aber immer mit dem Anspruch, das eigene Publikum zu überraschen. Dabei ist längst klar: Die Leute kommen nicht nur wegen der Hits, sie kommen wegen des Tons. Dieses Unangepasste, das sich weigert, zum Klangteppich zu werden.

Was Brings von vielen unterscheidet: Sie spielen nicht Karneval, sie haben ihn umgebaut. Nicht mit Samthandschuhen, sondern mit Gitarrenriffs. Ihre Lieder sind längst Liedgut – und gleichzeitig Kommentar zur Gegenwart. Ohne akademisches Feuilleton, aber mit umso mehr Gespür für das, was die Leute beschäftigt. Brings sind keine Nostalgiker. Sie spielen weiter, weil sie noch was zu sagen haben. Nicht immer glatt, nicht immer gefällig – aber immer echt. Und vielleicht ist das in einer Zeit voller Playbacks und Perfect-Image wichtiger denn je.

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