Von MATTHIAS DÜLKS
Köln – Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Der Überlebenskampf nicht. Der Hungerwinter 1946, bis minus 20 Grad. Selbst der Rhein ist über 60 Kilometer vereist. Produktion und Landwirtschaft sind zerstört. Köln ist in Trümmern, Hunderttausende leben in Ruinen. Keine Heizkohle, nichts zu essen. Dann hält Josef Kardinal Frings die Predigt, die ihn unsterblich macht.
Silvesterabend 1946, St. Engelbert in Köln-Riehl. DerKölner Erzbischof Josef Kardinal Frings hält seine traditionelle Jahresend-Predigt. In der spricht Frings über die zehn Gebote – auch über das siebte Gebot: “DU SOLLST NICHT STEHLEN”.
„Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder Bitten, nicht erlangen kann“.
Stehlen ist erlaubt
Stehlen aus höchster Not ist laut dieser Predigt erlaubt. Auch wenn Frings mahnt, einen eventuellen Schadensersatz nicht zu vergessen und nicht zu viel zu nehmen – “sonst gibt es keine Verzeihung bei Gott”. Ein neues Wort ist geboren, das Fringsen.
Die britische Besatzungsbehörde ist empört. Regional Commissioner William Asbury verlangt vom Kardinal eine Klarstellung, die Predigt sei missverständlich. Daraufhin erwidert Frings, dass er nur über die Lehre der katholischen Moraltheologie gesprochen habe: “Ich selbst würde mir von den Waggons die Briketts holen, wenn ich kein Heizmaterial hätte.”
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Booking.comEine Predigt und ihre Folgen
Seine Silvester-Predigt hat Frings mit Bedacht formuliert. Handschriftliche Aufzeichnungen zeigen, wie er an jedem Wort gefeilt hat. Laut Forschung des Erzbistums Köln ist Frings Zeit seines Lebens unsicher gewesen, ob er richtig gehandelt hat. Inwieweit sein Auftreten die gesellschaftlichen Unruhen in den 60er Jahren mitverursacht haben. Denn auch wenn er als “Volks-Kardinal” gefeiert wird, ist er tatsächlich konservativ.
In Hitler-Deutschland verurteilt Frings 1943 in einem Hirtenbrief die Tötung Geisteskranker, behinderter Kinder und Kriegsgefangener durch die Nazis. Nach dem Krieg gibt er den Anstoß zur Gründung der Hilfswerke Misereor und Adveniat. Nach dem Krieg stellt er sich zwischen Bevölkerung und Besatzungsmacht, forderte Unterstützung für die Flüchtenden aus dem Osten. Er unterstützt aber auch Gnadengesuche von Nazis.
Frieden beim Domfest 1948
Zum Kölner Domfest 1948, bei dem die 700-jährige Grundsteinlegung gefeiert wird, kommen erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg Bischöfe fast aller westeuropäischen Länder, aber auch aus USA, Afrika und Asien nach Köln. Deutschland zeigt ein friedliches Gesicht.
Der Kardinal bleibt bis 1969 im Amt und stirbt, in seiner Stadt bis heute hoch geachtet, 1978 im Alter von 91 Jahren.
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Quellen: Erzbistum Köln: “70 Jahre ‘Fringsen’: Eine Silvesterpredigt mit Nachwirkungen”; Erzbistum Köln: “Kardinal Frings vor 40 Jahren gestorben”; taz: “Der Mann, der das „fringsen“ erfand und alten Nazis half” (Florian Schmidt, 17.12.2003); Welt: „Fringsen – Als ein Kardinal den Mundraub erlaubte” (Antonia Kleikamp, 31.12.2016); eigene Recherche