Rosenmontag 1934 in Köln: Die antisemitische Nazi-Propaganda fährt schon mit
Foto: NS-Dokumentationszentrum
Von STEPHANIE KAYSER
Köln – Es schmerzt. Ausgerechnet der Kölner Karneval, der seit jeher der Obrigkeit den Spiegel vorhalten will, marschierte in Nazi-Deutschland feige mit. Um so wichtiger ist das Erinnern.
In Hitler-Deutschland wurde der Karneval braun: Jüdische Kameraden wurden aus den Vereinen ausgeschlossen, jüdische Künstler von den Bühnen verbannt. An Rosenmontag fuhr antisemitische Nazi-Propaganda im Zoch mit durch die Stadt und wurde bejubelt. “Führer”-Witze waren in der Bütt tabu, dafür gab’s verpflichtend den Hitler-Gruß. Und für die “Volksgemeinschaft” durften “Jungfrau” und Tanzmariechen nur noch von Frauen dargestellt werden.
Der damalige Festkomitee-Präsident Thomas Liessem war bereits 1932 aus Überzeugung Mitglied in der NSDAP geworden. Die Nazi-Organisation “Kraft durch Freude” organisierte Reisen aus ganz Deutschland in den Kölner Karneval, bot vergünstigt Zugtickets und Sitzungskarten an. Der Fastelovend verdiente mit.
“Karneval hat Schuld auf sich geladen”
Foto: Festkomitee Kölner Karneval
Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocausts am 27. Januar trafen sich Mitglieder der Kölner Karnevals auf dem Jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd, um an das Schicksal jüdischer Karnevalisten zu erinnern. Für das Erinnern war das Grab des jüdischen Karnevalskünstler Emil Jülich instand gesetzt worden. Jülich ist Schöpfer des Klassikers „Ov krüzz oder quer“, der in diesem Jahr das Motto der Karnevalssession ist.
„Die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft ist ein Teil der 200-jährigen Historie des Festkomitees, den wir niemals vergessen dürfen. Auch Akteure des Kölner Karnevals haben in dieser Zeit einen Teil der Schuld auf sich geladen. Wir können das heute nicht mehr rückgängig machen. Aber wir können alle gemeinsam mit dafür sorgen, dass Ausgrenzung von Menschen sich nicht wiederholt”, sagte Festkomitee-Sprecher Michael Kramp in seiner Ansprache vor Ort:
“Gerade der Karneval kann eine große integrative Kraft entfalten, die wir immer wieder auch in den Dienst von Freundschaft, Frieden und Gemeinsamkeit stellen sollten. Wir freuen uns, dass wir heute mit den Kölschen Kippa-Köpp eine Karnevalsgesellschaft mit jüdischem Hintergrund in unseren Reihen haben, die sich insbesondere auch dem jüdischen Erbe des Kölner Karnevals widmet.“
Ausnahmekünstler Emil Jülich
Zur Gedenkstunde, die auf eine gemeinsame Initiative des Festkomitees Kölner Karneval und der Kölschen Kippa-Köpp zurückgeht, waren auch vier Urenkelinnen und -enkel von Emil Jülich aus Köln, Hamburg und der Schweiz angereist. In den Reden von Michael Rado (Synogogengemeinde Köln), Aaron Knappstein (Kippa-Köpp) und MIchael Kramp (Festkomitee) wurde die besondere Rolle jüdischer Bühnenkünstler und Karnevalisten gewürdigt. Für die musikalische Begleitung sorgte der Geiger Igor Epstein.
Karnevalskünstler Emil Jülich musste die Nazi-Herrschaft nicht mehr miterleben. Er starb 1923. Jülich hat als Karnevalskünstler jüdischen Glaubens den Kölner Karneval wesentlich mitgeprägt und gestaltet. Zu seiner Zeit war er einer der Stars im Fastelovend. Während der NS-Zeit wurden seine Werke systematisch unterdrückt.
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