FESTKOMITEE & KÜNSTLER – Wie gut ist das neue Bündnis für den Kölner Karneval?

Straßenkarneval an der Zülpicher Straße Foto: Festkomitee

Von STEPHANIE KAYSER

Köln – “There is no business like SHOW BUSINESS”. Das gilt gerade auch für den Kölner Karneval. Hier geht es um Brauchtum und Tradition, aber auch um sehr viel GELD. Wo Künstler in sechs Wochen mehr als eine halbe Million Euro verdienen können, wollen viele mitkassieren. Und nicht jeder hat das Wohl der Künstler und des Karnevals im Sinn.

Als Gegengewicht zu den mächtigen Künstler-Agenturen und Programmgestaltern baute das Festkomitee bereits vor Jahren seine Künstlerförderung im Literarischen Komitee aus, half beim Entwickeln von Auftritten und künstlerischen Techniken, beriet auch bei kaufmännischen und rechtlichen Fragen.

Die “Festkomitee-Künstler” hatten durch ihren mächtigen Förderer besondere Vorzüge, wurden im Rosenmontagszug und im TV präsentiert. Damit wurde das gemeinnützige Festkomitee selbst zum Big Player im Künstler-Bereich, aber auch zur Konkurrenz der ehrenamtlichen, traditionellen Künstlervereinigungen. Ein seit Jahren schwellender Konflikt.

Kölner Kinder-Dreigestirn - Proklamation
Viele Newcomer haben ihre Auftritte im Kölner Kinderkarneval,
hier ein Bild von der Proklamation des Kinderdreigesetirns 2023

Das neue Bündnis

Bis jetzt durften Künstler des Festkomitees nicht auf den traditionellen Vorstellabenden der Künstlervereinigungen auftreten und andersherum. BIS JETZT. Pünktlich zur neuen Session verkündeten die Karnevalsfunktionäre eine Sensation: Das Festkomitee arbeitet jetzt mit einigen Künstlervereinigungen zusammen. Ein Bündnis, das nicht allen gefällt.

Erstmals dürfen Künstler damit sowohl dem Literarischen Komitee als auch einer Künstlervereinigung angeschlossen sein. „Bisher standen das Literarische Komitee und die Künstlervereinigungen oft in einer gewissen Konkurrenz zueinander. Dabei hatten wir eigentlich schon immer unterschiedliche Aufgaben“, sagt Nadine Krahforst, Leiterin des Literarischen Komitees.

Künftig teilen sich das Festkomitee und Künstlervereinigungen wie “Stammtisch Kölner Karnevalisten” und KrK (Kreis rheinischer Karnevalisten) die Bereiche Coaching und Vorstellabend auf. Während sich die Festkomitee-Akademie künftig auf Schulungen konzentriert, “schaffen die Künstlervereinigungen mit ihren Vorstellabenden den Präsentationsrahmen für die vorher gecoachten Künstler”, heißt es in der offiziellen Mitteilung.

Jedes Jahr im Herbst finden die sogenannten Vorstellabende der Künstlervereinigungen statt. Bei den Abenden können noch Bands und Redner ihr aktuelles Programm präsentieren. Im Publikum sitzt nur Fachpublikum, alle wichtigen Programmgestalter und Literaten aus Köln und Umgebung. Vor allem für Newcomer und noch unbekanntere Bands extrem wichtig.

“Programm-Monopol beim Festkomitee”

Kritiker sehen in dem neuen Bündnis die Entmachtung der Künstlervereinigungen – und das totale Programm-Monopol beim Festkomitee. “Welche Bands und Redner dann künftig im Karneval unterwegs sind, wer auf der Bühne stehen darf und gefördert wird, entscheidet dann das Festkomitee. Was passiert denn mit den Künstler, die dem Festkomitee nicht genehm sind? Für die wird es immer schwieriger, quasi schon unmöglich, irgendwie einen Fuß in den Karneval zu bekommen”, sagt ein Literat, der anonym bleiben möchte.

In der Pressemitteilung heißt es: “Künstler, die schon bei Künstlervereinigungen unter Vertrag sind, können sich ab sofort auch für die Aufnahme an der Festkomitee-Akademie bewerben und je nach Bedarf einzelne Coaching-Module nutzen.”

Abgesehen davon kritisiert der Programmgestalter: “Schon jeder hat sich mal geirrt und eine Band oder einen Hit nicht direkt erkannt. Wenn alles nur noch von einem Geschmack abhängt, dann könnte der Karneval irgendwann zum Einheitsbrei werden. Wo bleibt die Vielfalt?”

"Lachende Kölnarena", Foto Stephanie Kayser, Karneval
Wenn du in der “Lachenden Kölnarena” auftreten darfst, dann hast du
es geschafft. Hier im Bild die Luftflotte

“Nur noch Eventveranstalter”

Ein anderer Kritikpunkt ist die vermeintliche “Degradierung” der Künstlervereinigungen zum Event-Veranstalter eines Vorstellabends. Oder wie es in der Pressemitteilung oben heißt: das “Schaffen eines Präsentationsrahmens”.

“Warum kümmert sich das Festkomitee nicht um das Coaching in allen kaufmännischen und rechtlichen Bereichen, was muss ich als Selbstständiger beachten, wie schreib ich eine Rechnung, was muss ich bei Verträgen beachten. Das ist extrem wichtig”, sagt ein anderer Karnevalist:

“Von mir aus auch um Stimmtraining oder so. Hauptsache “neutrales Fachwissen” – aber bei allen inhaltlichen Fragen einer Darbietung, egal ob Rede oder Musik, sollte die Sache bei den Künstlern, also den Künstlervereinigungen bleiben.”

Titel Top Veranstaltungen umsonst
Jedes Jahr spielen Newcomer-Bands live im Rosenmontagszug
Foto: Festkomitee

Kein Vorstellabend des Literarischen Komitees

Der offizielle große Vorstellabend des Literarischen Komitees entfällt künftig “vorerst“, heißt es in der Pressemitteilung. Die Akademie wolle aber weiterhin Möglichkeiten schaffen, sich auf der Bühne auszuprobieren. Für Newcomer gibt es übers Festkomitee unschlagbare Angebote, die eine Künstlervereinigung nicht bieten kann.

Ausgewählte Künstler der Akademie fahren jedes Jahr im Kölner Rosenmontagszug mit. Dort können sie ihr Repertoire live vor Hunderttausenden zeigen, erreichen über die TV-Übertragung auch ein Millionenpublikum. Außerdem gibt es die Konzertreihe „Bütt & Bands“. Die Abende finden in wechselnden Kölner Kneipen statt und geben den Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit, ihr Programm vor kleinerem Publikum zu testen.

“Die Regeln haben sich geändert”

Es gibt auch Karnevalisten, die die neue Entwicklung ganz nüchtern beurteilen. Auch dieser Präsident möchte bei dem Thema lieber anonym bleiben: “Für alle, die jetzt meckern: Die Künstlervereinigungen, die noch ein lebendiges Nachwuchsleben haben, kannst du an ein paar sehr wenigen Fingern abzählen. Bei vielen ist einfach die Luft raus. Die Zeiten haben sich geändert.

Es gebe neue Spielregeln auf dem Platz: “Wenn eine Band 200k Follower hat, dann ist es egal was Literat xy sagt. Es gibt wichtige Reihen wie ‘Loss mer singe’ und Ähnliches, die laufen komplett außerhalb des Funktionärs-Karnevals, die ganzen Sommerkonzerte, die Festivals. Das Alles können die Alten gar nicht kennen, weil es das früher einfach noch nicht gab. Wie sollen sie dabei also beraten können?”

prinzenproklamation
Bei der Proklamation versammeln sich jedes Jahr die Mächtigen des Fasteleer

Eine Sache wurmt diesen Kritiker, der selbst ehrenamtlich seit vielen Jahren im Karneval unterwegs ist: “Warum unterstellt man dem Festkomitee häufig direkt etwas Negatives? Dass sehr viele Vereine die Pandemie ohne das angeblich ‘ach so machthungrige’ Festkomitee nicht überlebt hätten, haben sie anscheinend schon wieder vergessen.

Es ist doch absolut richtig, dass unser Nachwuchs professionell geschult wird und nicht von irgendeinem ‘Manager’ verheizt wird. Und eben weil es das Festkomitee ist, werden die Künstler endlich mal neutral gefördert. Das Festkomitee ist kein gewinnmaximierendes Unternehmen, sondern gemeinnützig, gebildet aus unseren Vereinen. Und sollte es daran irgendetwas etwas zu meckern geben, kann man ja immer noch meckern – und abwählen.”

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