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KÖLNS UNSTERBLICHE LEGENDEN – Das Leben der Trude Herr

Foto: Imago/Zik

Von STEPHANIE KAYSER

Köln – Trude Herr ist eine der wenigen Frauen, die in Köln unsterblich wurden. Geboren als Gertrud Alexandra Herr in Köln-Kalk wurde sie später als Trude Herr deutschlandweit bekannt. Am 16. März 1991 starb sie mit 63 Jahren in Südfrankreich.

Ihre Stimme war einmalig, ihr Humor auch. Herr war ein Entertainment-Genie: Schauspielerin, Sängerin, Theaterdirektorin, Büttenrednerin, Autorin und mehr. Nach außen häufig die dralle Ulknudel, nach drinnen so viel mehr.

  • geboren am 4. Mai 1927 in Köln-Kalk, gestorben am 16. März 1991 in Aix-en-Provence in Frankreich
  • gefeiert als Sängerin, Schauspielerin, Autorin, Theaterdirektorin, Karnevalskünstlerin
  • Show-Karriere: von den 50ern bis in die 80er Jahre
Mural Trude Herr
Trude Herr auf einem Mural des Künstlers Size Two 2020  in Köln-Ehrenfeld
Foto: Superbass/CC BY-SA 4.0

Als Kind ausgebombt

Trude Herr wurde am 4. Mai 1927 in Köln-Kalk geboren und wuchs in armen Verhältnissen in Köln-Mülheim auf. Sie war das dritte von insgesamt fünf Kindern. Ihr Vater, Robert Herr (*1891 bis†1961), war Lokomotivführer. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei saß er in Nazi-Deutschland fast durchgängig im Gefängnis, später im Konzentrationslager. Die Mutter Agathe (*1893 bis †1973) musste die fünf Kinder Jahre lang alleine durchbringen.

Ab 1933 besuchte Trude Herr die Volksschule in Köln-Mülheim und arbeitete ab 1941 in einer Bäckerei. Trude Herr be­gann ei­ne Leh­re bei der in Köln an­säs­si­gen „Theo­dor Ben­der Han­dels­ver­tre­tun­g“. Als das Haus der Familie bei Bombenangriffen 1943 zerstört wurde, wurde die Familie ins hessische Ewersbach evakuiert, wo Trude Herr als Schreibkraft in der Stadtverwaltung Dillenburg ihre Ausbildung beendete.

Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Köln zurück und lebte zunächst in Nippes. Tru­de Herr fand An­stel­lung in der An­zei­gen­ab­tei­lung der von der KPD her­aus­ge­ge­be­nen Zei­tung „Die Volks­stim­me“.

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Das Showbiz-Wunder

1946 begann ihre Show-Karriere als Statistin an der Aachener Wanderbühne. Ab 1948 erhielt sie Nebenrollen am Kölner Millowitsch-Theater. 1949 gründete Trude Herr mit ihrem Freund und Mentor Gustav Schellhardt die “Kölner Lustspielbühne”. Das Projekt ging im selben Jahr Konkurs. Trude Herr fing als Bardame im Schwulen-Szenelokal Barberina auf der Hohe Pforte an.

Ab 1954 trat sie zur Karnevalszeit bei den Veranstaltungen der Kölner Gesellschaften als Büttenrednerin auf unter großem Beifall. Par­odi­en als „Ma­da­me Wirt­schafts­wun­der“ oder „Be­sat­zungs­kin­d“ mit ge­sell­schafts­kri­ti­schen Zwi­schen­tö­nen. Die dralle Frau auf der Bühne spielte selbst immer wieder auf ihre Figur an: “Hätten die mich auf Breitwand genommen, hätten sie die Hälfte der teuren Kulisse sparen können”, unkte sie auf der Bühne.

trude herr, tommy engel, wolfgang niedecken
Ein Auftritt von 1987: Tommy Engel, Trude Herr und Wolfgang Niedecken
Foto: Imago/Horst Galluschka

Ab 1955 wurde Herr auch zum Star der po­pu­lä­ren Kar­ne­vals­re­vu­en im Va­rie­té­thea­ter Kai­ser­hof. Im selben Jahr spielte sie im Millowitsch-Theater im vom Fernsehen aufgezeichneten Lustspiel “Der verkaufte Großvater” neben Willy Millowitsch erstmals eine größeren Rolle.

Das Publikum liebte sie, die Offiziellen weniger. Nach­dem ihr das Festkomitee 1959 die Auf­füh­rung der par­odis­ti­schen Num­mer „Die Kar­ne­vals­prä­si­den­ten­gat­tin“ un­ter­sagt wor­den war, ver­zich­te­te sie auf wei­te­re Auf­trit­te auf (klein-)bürgerlichen Karnevalssitzungen.

Mit der auf hoch­deutsch vor­ge­tra­ge­nen Karnevals-Par­odie „Die Fern­seh­an­sa­ge­rin“ hat­te sie be­reits 1957 die Auf­merk­sam­keit des Ka­ba­ret­tis­ten Wil­li Scha­ef­fers (*1884 bis †1962) auf sich ge­lenkt. Der en­ga­gier­te Trude Herr 1958 für sein Thea­ter „Tin­gel-Tan­gel“ in Ber­lin.

trude herr grabstein
Bodenständig bis zum Ende: Trude Herr im Familiengrab auf dem Nordfriedhof
Foto: A.Savin/CC BY-SA 3.0

Der deutschlandweite Durchbruch

In der Karriere von Trude Herr ging es jetzt Schlag auf Schlag weiter. 1958 veröffentlichte sie ihre erste Platte (“Bumsvallera”). Erste Filmrollen. Der Durchbruch kam spätestens 1960 mit der deutschen Version von “Percolator” unter dem Titel “Ich will keine Schokolade (ich will lieber einen Mann)” und dem damals gefeierten Schlagerfilm “Marina”.

In mehr als 30 Filmen spielte Trude Herr bis in die 70er Jahre mit. Ihre Rolle war meist die rheinische, resolut-naive Ulknudel. Aus heutiger Sicht wirken die Filme oft klamaukig. “Schlechte Filme”, wie Trude Herr später mal in einem Interview sagte. Aber diese Filme brachten ihr immensen Erfolg.

Ab Mitte der 60er begann ihre Film- und Schlagerkarriere abzuebben. Trude Herr fand den munteren Lustfilm nicht mehr zeitgemäß, wollte sich von der Rolle der komischen Dicken lösen. Ab 1964 reiste sie mehrmals in die Sahara, drehte dort eigene Filme, die aber nie fertiggestellt wurden. Bis heute ein Rohschnitt.

Trude Herr konzentrierte sich wieder auf ihren Ursprung. Das Theater.

Das ganz große Theater

Von 1970 bis 1976 inszenierte die Künstlerin sehr erfolgreich mit eigenem Ensemble im Kölner Millowitsch-Theater. Ab 1972 auch selbst geschriebene Stücken. Sie ließ sich bei den Themen von den Stim­mun­gen des Köl­ner Mi­lieus in­spi­rie­ren.

Genauso derb wie sentimental kölsch. Das ungefilterte Leben. Trude Herr war Mitglied der SPD und lebte in der Gro­ßen Brink­gas­se am Rot­licht­vier­tel.

Wegen der schwierigen Zusammenarbeit mit Willy Millowitsch und dem bürgerlichen Umfeld des Millowitsch suchte sie nach einigen Jahren eine Alternative. Im Ju­li 1977 pach­te­te sie ein leer­ste­hen­des Ki­no in der Se­ve­rin­stra­ße, ge­stal­te­te es in­ner­halb we­ni­ger Wo­chen nach ih­ren Vor­stel­lun­gen um.

trude herr gedenkstein
Die Gedenktafel vor dem früheren Theater von Trude Herr
Foto: Balham Bongos/Gemeinfrei

Das best ausgelastete Theater Deutschlands

Die Er­öff­nung ihres „Thea­ter im Vrings­vee­de­l“ er­folg­te am 9. September 1977 mit der Ur­auf­füh­rung des Stücks „Die köl­sche Gei­s­ha“. Hier gab es kölschen Humor und kölsche Sentimentalität, garniert mit derber Bodenständigkeit und sozialkritischen Tönen. Das letzte Theaterstück “Im zweiten Frühling” wurde 1986 aufgeführt.

Zehn Jahre lang hatte Trude Herr als Direktorin, Produzentin, Autorin, Regisseurin, Kostümbildnerin, Sängerin und Hauptdarstellerin gekämpft, dann ging ihr die Puste aus. Im wahrsten Sinne. Sie war schwer asthmatisch, gesundheitlich angeschlagen.

Obwohl das Theater im Vringsveedel das bestbesuchteste Privattheater in ganz Deutschland war (die Auslastung lag bei 97 Prozent), blieb das Theater ständig klamm. Über Jahre hatte Trude Herr vergeblich versucht, städtische Zuschüsse zu bekommen.

Nach dem Aus des Theaters zog sich Trude Herr aus der Öffentlichkeit zurück. Ihren Abschied aus Köln nimmt sie dann 1987 mit einem ihrer bekanntesten Lieder “Niemals geht man so ganz”, das sie mit Tommy Engel und Wolfgang Niedecken gesungen hat. 

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Ihr Privatleben

So richtig glücklich war Trude Herr abseits der Bühne nie. Die private Trude war ein Kontrastprogramm zur lauten Bühnenfigur.

Wie viele andere große Künstler war auch Trude Herr innerlich zerrissen, schwankte zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, häufig unzufrieden mit sich und anderen und immer Perfektion als Anspruch, erzählen alte Weggefährten. Einfach war sie nicht. “Ein schwieriger Charakter”, sagte ihre Gigi später mal in einem Interview mit Hella von Sinnen.

Selbstzweifel plagten Trude Herr immer wieder. Sie wollte nicht nur als die dicke Ulknudel wahrgenommen werden. Privat war sie nicht die unverwundbare Frau, die sie in der Öffentlichkeit zu sein schien. Die entbehrungsreiche Kindheit im Krieg hatte sie stark geprägt, sagte sie selbst einmal.

Die Kölner Künstlerin prägte ein für damalige Zeiten ungewöhnliches Fernweh. “Ich liebe meine Vaterstadt, aber ich bin nicht bereit, darüber den Verstand zu verlieren”, erklärte sie einmal. Ab 1964 reiste sie immer wieder in die Sahara, wo sie auch ihren späteren Mann, den den Tunesier Ahmed M’Barek kennenlernte. Ihre Ehe hielt bis zum verflixten siebten Jahr. Scheidung 1976. In der Liebe hatte Trude Herr wenig Glück, wie ihre Schwester Agathe Hartfeld in einer Biografie erzählte.

Ein Leben lang Fernweh

Nach sie ihr “Theater im Vringsveedel” schließen musste, kam das Fernweh wieder hoch. Im Juli 1987 zieht sie auch aus gesundheitlichen Gründen auf die Fidschi-Inseln. Hier will sie sich der Schriftstellerei widmen. Sie wolle keinen mehr um sich haben, der ihr sagt, dass sie weitermachen solle, sagte Trude Herr in ihrem letzten Fernsehinterview 1988 mit Günther auch. Auf den Fidschi-Inseln verliebte sie sich später in ihren letzten Lebensgefährten Samuel Bawesi.

Anfang 1991 kehr­te Tru­de Herr mit ihrer neuen Liebe nach Eu­ro­pa zu­rück. Von einem Comedy-Comeback war die Rede. Nach ei­nem kur­zen Auf­ent­halt in Köln zog sie sich in ihr Ferienhaus in Lauris bei Aix-en-Provence ins wärmere Südfrankreich zurück. Nach einem starken Asthmanfall starb sie hier an Herzversagen in der Nacht vom 15. auf den 16. März 1991.

Trude Herr wurde im Familiengrab auf dem Kölner Nordfriedhof beigesetzt. In Erinnerung bleibt sie als starke Frau, die sich gegen Widerstände durchsetzte und mit ihrem unverwechselbaren Charme die Herzen eroberte.

titel trude herr
Trude Herr hier im Film als Bardame, früher ihr auch mal ihr echter Job
Foto: Imago/United Archives

Trude Herr heute in Köln

Im Februar 1995 wurde die Grünfläche beim Bürgerhaus Stollwerck in der Kölner Südstadt nach ihr in Trude-Herr-Park benannt. Im Sommer desselben Jahres fand auf dem Kölner Roncalliplatz vor dem Kölner Dom eine Trude-Herr-Gedenkrevue statt, in der Künstler wie Tommy Engel und die Höhner die größten Hits der Herr präsentierten.

2002 wurde im Trude-Herr-Park ihr zu Ehren ein Denkmal von Elmar Schulte aufgestellt, das erst 2013 vollständig renoviert fertiggestellt wurde. Durch eine anonyme Spende konnte 2011 sichergestellt werden, dass ihre Grabstelle weitere 25 Jahre erhalten bleibt.

Die Städtische Gesamtschule Köln in ihrem Kindheits-Veedel Mülheim wurde 2020 in Trude-Herr-Gesamtschule umbenannt.

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