Von STEPHANIE KAYSER
Köln – Der Macher des größten Sehnsuchtslied aller Kölner: “Ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn”. Willi Ostermann schreibt das legendäre Lied “Heimweh nach Köln” auf dem Sterbebett. Schon zu Lebzeiten ist der Musiker eine Legende am Rhein.
Willi Ostermann trifft mit seinen Texten und Melodien die kölsche Seele. In 30 Jahren schreibt der Ausnahmekünstler mehr als 200 Lieder. Mehr als zwei Dutzend davon werden noch heute in Köln gesungen. Er gilt als einer der größten Künstler der Stadt.
Foto: MiriJäm /CC BY-SA 3.0
- Seine Kindheit auf der Schäl Sick
- Die ersten Schritte als Künstler
- Sein Weg zur Legende
- So lebte und liebte Ostermann privat
- Sein wirtschaftliches Händchen
- Sein dramatischer Tod
- Willi Ostermann heute in Köln
Seine Kindheit
Wilhelm Ostermann wird am 1. Oktober 1876 in Mülheim geboren. Er ist der Jüngste von insgesamt vier Kindern in der Familie. Sein Vater Peter (1838-1909) arbeitet als Weichensteller für die Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft. 1879 zieht die Familie nach Deutz. Wegen seiner roten Haare wird Ostermann “dä jlöhndije Fuss”, der glühende Fuchs genannt.
Nach der katholischen Volksschule in Deutz beginnt Willi Ostermann auf Anweisung seines Vaters eine Lehre zum Elektriker. Als er einen Kurzschluss verursacht, bricht er laut Erzählungen die Ausbildung ab. Danach absolviert er eine Lehre in der Diez- und Baum’schen Druckerei in Köln.
Die ersten Schritte als Künstler
Schon als Schüler gründet Ostermann ein Puppentheater und zeigt sein schauspielerisches Talent. Er tritt auch im Laientheater des Marianischen Jünglings-Verein auf. Als Lehrling textet und komponiert Ostermann humoristische Lieder, die er vor Freunden und Verwandten zum Besten gibt.
Später nennt Ostermann selbst den Auftritt beim Deutzer Schützenfest 1899 als den Beginn seiner Künstlerkarriere. Hier präsentiert er das Lied„Et Düxer Schötzefess“, der Erfolg ist grandios. Bereits ein Jahr später kann Ostermann hauptberuflich als Künstler leben.
Ostermann kann keine Noten lesen und schreiben. Er bringt seine Kompositionen singend auf Tonträger (anfangs via Wachswalze) oder singt sie einem Notenschreiber vor.
Der nächste Karrieresprung kommt im Jahr 1907. WilIi Ostermann erobert den Kölner Karneval. Sein Lied „Däm Schmitz sing Frau es durchjebrannt“ wird zum Triumphzug durch die Säle. Zu einer Zeit, als hochdeutsche Gassenhauer den rheinischen Karneval erobern, bringt er die kölsche Sprache zurück. Nur ein Jahr später gewinnt er mit “Wä hätt dat vun der Tant gedaach” den ersten Preis für das beste Mundartlied der Kölner Blumenspiele, ein sehr renommierter Künstler-Wettbewerb.
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Booking.comSein Weg zur Legende
Was das Kölner Publikum liebt: Ostermann schafft es die kölsche Gesellschaft, das kleinbürgerliche Milieu in seinen Liedern einzufangen. Nicht selten geht es um menschliche Schwächen und Missgeschicke, allerdings in heiterer Form. Ostermann ist niemals boshaft oder unter der Gürtellinie.
Dieser Stil prägt bis heute viele Bands und Künstlerinnen und Künstler aus Köln. Ostermann schafft es, mit seinen augenzwinkernden Erzählungen, die Identifikation mit der Stadt nachhaltig zu fördern.
Im ersten Weltkrieg schreibt er patriotische Lieder auf Kölsch und ist in der Truppenbetreuung aktiv. In den 1920ern Jahren wird Willi Ostermann zum beliebtesten Sänger der Stadt. In dieser Zeit entstehen Gassenhauer wie „Die Mösch en der Köch”, „Kölsche Mädcher künne bütze“ oder „Kutt erop! Bei Palms do eß de Pief verstopp“.
1930 schrieb Ostermann den Titel “Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ für die Karnevalsrevue „Die Fastelovendsprinzessin“. Der melancholische Abgesang auf die „Eigenart“ von Köln gehört noch heute zu den Liedern, die den Kölschen die Tränen in die Augen treiben.
Der Beginn der Nazi-Herrschaft hinterlässt keine offensichtlichen Spuren im künstlerischen Wirken Ostermanns. Über seine persönliche Haltung zu den Nationalsozialisten ist nichts Konkretes überliefert. Es gibt keinen Beleg für eine Partei-Mitgliedschaft. Als Angehöriger der Reichskulturkammer steht Ostermann dem Regime jedoch für die Unterhaltungsprogramme der Organisation Kraft durch Freude (KdF) zur Verfügung.
So lebte und liebte Ostermann privat
Kaum geht die Karriere los, findet Willi Ostermann sein (erstes) privates Glück. 1903 heiratet er die aus Westfalen stammende Katharina Maria Striebeck (1878-1958). Die Ehe hält allerdings nur kurz. Die kurz darauf folgende Scheidung gilt damals im katholischen Köln noch als skandalös.
Über seinen Freund, den kölschen Kapellmeister Emil Palm (1890-1960) lernt er dessen Schwester, eine Revue-Tänzerin kennen. Katharina „Käte“ Palm (1884-1959) wird 1911 seine zweite Frau. Ihre Familie ist alteingesessen in Köln: Der legendäre Straßenmusiker „Urjels-Palm“ (Johann Joseph Palm, 1801-1882) ist ihr Ur-Großvater.
Foto: Bundesarchiv
Als Willi und seine Käthe im Januar 1936 silberne Hochzeit feiern, ist der Neumarkt vor ihrem Haus voll von Menschen, die ihnen ein Ständchen bringen.
Eine große Leidenschaft von Willi Ostermann sind Pferde- und Radrennen – und die Wetten darauf. Er ist nicht nur regelmäßig auf der Rennbahn in Weidenpesch, sondern schaut auch die Radrennen in der Rheinlandhalle in Ehrenfeld.
Entspannung findet Ostermann bei seinen Urlauben am Lago Maggiore und an der italienischen Riviera. Im Sommer organisiert er hier Gastspiele, auch in den Seebädern an der Nordsee oder auf Madeira. Die “Rheinischen Abende”, bei denen Ostermann mit anderen Kölner Künstlern auftritt, sind sehr beliebt.
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Sein wirtschaftliches Händchen
Als einer der wenigen Künstler beweist Ostermann ein ausgeprägtes unternehmerisches Geschick. Bereits im Jahr 1910 gründet er einen eigenen Verlag. Aufgrund seiner ausgeprägten Wett-Leidenschaften erschließt er weitere Einnahme-Quellen. In den 1920ern erweitert er sein Repertoire um hochdeutsche Lieder erweitert, gerne als Waltzer oder Marschlied. Ostermann besingt vor allem die Schönheiten des Rheinlandes.
Mehrere Schallplatten werden außergewöhnliche Verkaufserfolge. Allein das “Rheinland-Mädel” (“Drum sollt’ ich im Leben ein Mädel mal frei’n, dann muss es am Rhein nur geboren sein“) wird mehr als eine Million Mal verkauft. Daneben komponiert Ostermann Lieder für Revüe-Filme.
Einen Misserfolg hat auch Ostermann: Ende 1930 bringt er das humoristische Wochenblatt “Tünnes und Schäl” heraus, das jedoch im Folgejahr mangels Erfolg wieder eingestellt wird.
Schallplattenaufnahmen und Rundfunkübertragungen machen Ostermann deutschlandweit und sogar darüber hinaus bekannt.
Sein dramatischer Tod
Sein letztes Mal auf der Bühne erlebt Willi Ostermann außerhalb von Köln. Im Juli 1936 bricht Ostermann nach einem Auftritt im Kurhaus von Bad Neuenahr zusammen. Er wird im Rettungswagen nach Köln in die Lindenburg gefahren (Vorgänger-Krankenhaus der Uni-Klinik).
In seinen Biografien wird von einer Magen-OP berichtet. Hinter vorgehaltener Hand wird damals in Köln getuschelt, dass Ostermann aufgrund seines Alkoholkonsums an einer Leberzirrhose gelitten habe. Sein Zustand im Krankenhaus bessert sich nicht.
Foto: Elke Wetzig (Elya)/CC BY-SA 3.0
Ostermann ist sich zu der Zeit dem Ernst der Lage vollauf bewusst. In den letzten Tagen vor seinem Tod dichtet er sein letztes Lied. Der Titel „Heimweh nach Köln“, mit dem Refrain „Ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn“ nach seinem Tod veröffentlicht wird.
Willi Ostermann stirbt am 6. August 1936 in der Lindenburg. Seine Beisetzung wird zu einem Großereignis. Zunächst wird der Leichnam in der Wohnung am Neumarkt 33 aufgebahrt. Der Trauerzug zum Melaten-Friedhof soll von 35.000 Menschen begleitet worden sein.
Die Nazis verbieten das Sehnsuchtslied “Heimweh nach Köln” Ende des Zweiten Weltkriegs wegen “Gefahr der Wehrkraftzersetzung”. Heimweh ist schlecht für die Kampfmoral.
Willi Ostermann heute in Köln
Bis heute wird das Andenken an die einmalige Legende in Köln gepflegt. Bereits 1939 wird der Ostermannbrunnen auf dem neu gestalteten Ostermannplatz in der Kölner Altstadt mit einem großen Volksfest eingeweiht.
Seit 1967 wird auf der Prinzenproklamation die Goldene Ostermann-Medaille für besondere Verdienste um das Kölner Lied verliehen. Träger dieses exklusiven Ordens sind u. a. Karl Berbuer, Jupp Schmitz und die Bläck Fööss.
1967 gründet sich auch die gleichnamige Karnevalsgesellschaft, die Willi Ostermann Gesellschaft e.V., die das Andenken des Ausnahmekünstlers auf vielfältige Weise fördert. Seit 1969 ist der Verein für die offizielle Eröffnung der Karnevalssession verantwortlich.
Im Jahr 1991 wird das Figurenensemble am Kölner Rathausturm durch eine Ostermann-Statue erweitert.
“Heimweh nach Köln”, der Refrain
Wenn ich su an ming Heimat denke
un sinn d’r Dom su vür mer stonn,
mööch ich tireck op Heim ahn schwenke,
ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn,
mööch ich tireck op Heim ahn schwenke,
ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn.
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