Der Hype um einen Guru: Die „Sex-Sekte“ Bhagwan in den 1980ern in Köln

Hier ein Archivfoto von 1984 von dem Bhagwan-Stützpunkt in Oregon in den USA Foto: Imago

Von STEPHANIE KAYSER

Köln – Der Ruf ihrer Disco ist in Köln bis heute legendär. In den 1980er Jahren war das Belgische Viertel fest in den Händen der Bhagwan-Sekte. Auf Kölns Partymeile, den Kölner Ringen betrieb die Bewegung sogar einen eigenen Club, die große “Bhaggi”. Sowas hatte Köln noch nicht gesehen: Die Disco war hell erleuchtet, ganz in Weiß und mit viel Platz.

Die Bhagwan-Sekte, auch bekannt als Osho-Bewegung sorgte in den 1980er in Köln für Aufsehen. Die Sekte wurde von Bhagwan Shree Rajneesh (*1931-†1990), einem indischen Guru und Philosophie-Professor, gegründet. Der betrieb ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Ashram in Poone in West-Indien. Ein Meditationszentrum mit angeschlossenen Betrieben und Gesundheitszentrum, das Sinnsuchende aus der ganzen Welt anzog.

Freiheit als alternatives Lebensmodell

Von außen war Bhagwan als “Sex-Sekte” verschrieben. Das lag unter anderem an Bhagwan selbst, der sich häufig kontrovers zum Thema Sexualität äußerte: Sexualität sei ein Ausdruck von Spiritualität und Freiheit sei und dass Menschen ihre sexuellen Wünsche und Fantasien ausleben sollten, ohne Schuldgefühle oder Scham zu empfinden. Heute normal, damals skandalös.

Seine Lehre war eine Kombination aus östlicher Philosophie, Meditation und westlicher Psychologie, die auch viele erfolgreiche Geschäftsleute und Intellektuelle ansprach. Bhagwans “Freiheit” als alternatives Lebensmodell in einer durchgeplanten, karriere-fixierten Gesellschaft.

Alle tragen ROT: Bhagwan-Anhängerinnen und -Anhänger in Oregon, 1984
Fotos: Imago/Dieter Bauer

Als Bhagwan seinen Ashram in Indien 1981 auflöste und in die USA zog, forderte der Guru seine Anhängerinnen und Anhänger auf, überall Stationen zu gründen.

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Bhagwan im Belgischen

In Köln eröffnete die Bhagwan-Bewegung Anfang der 1980er ein Zentrum im Belgischen Viertel, das schnell zu einem wichtigen Treffpunkt für Anhänger und Interessierte wurde. Das Zentrum bot täglich Meditationen, Workshops und Seminare an.

Die Anhängerinnen und Anhänger trugen Kleidung in Rot und Orange, dazu häufig spirituellen Schmuck. Bis zu 450 Menschen lebten zu Spitzenzeiten in der Kommune. Alle in Rot-Orange gekleidet. Im Stadtbild nicht zu übersehen. Und das mitten im katholischen Köln, eine Provokation fürs Erzbistum. Viele Anwohner schauten misstrauisch bis ängstlich zu.

Imperium in Rot

Der Ansturm auf die Kommune war enorm. Hunderte Menschen mussten versorgt werden, es musste Geld her. Die Bhagwan-Bewegung gründete auch mehrere Unternehmen in Köln, darunter ein Verlag, ein Restaurant, ein Lebensmittelmarkt. Diese Unternehmen wurden von Mitgliedern der Bewegung betrieben, waren in der Regel sehr erfolgreich. Es gab Steuerberater, ein Bauunternehmen und Ärzte. Ein Geschäftsimperium.

Vor allem über die Disco Bhagwan wurde immer wieder, selbst in Talkshows diskutiert: Sollen mitten in Köln, getarnt als Diskothek deutsche Jugendliche für die indische Glaubensrichtung angeworben werden? Vor allem bei jungen Frauen war der Club sehr beliebt: Es war sehr friedlich und hell, die Türsteher waren Frauen.

Aus ganz Deutschland reisten junge Menschen zum Feiern nach Köln. Hinter der Theke arbeiteten die Mitglieder der Sekte, Glaube als Party. Einige der späteren Sekten-Mitgliedern hörten zum ersten Mal beim Party machen von Bhagwan.

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Das Ende

Die rote Harmonie endete mit einem Knall: Der indische Guru und einige seiner Anhängen wurden in den USA verhaftet. Die Vorwürfe lauteten Verschwörung, Betrug und Verstöße gegen das Einwanderungsgesetzt – und sexuelle Übergriffe.

Bhagwan saß zeitweise in den USA in U-Haft. Seine Verschwendungssucht – unter anderem besaß er gut drei Dutzend Rolls Royce – wurden öffentlich. Die ganze Bewegung implodierte. Bhagwan wurde 1985 ausgewiesen, lebte später wieder in Indien und nannte sich Osho.

Die Skandale aus den USA führten auch zur Auflösung der Kommune in Köln Anfang 1986. Die Mitglieder waren am Boden zerstört. Die Unternehmen der Bewegung blieben bestehen. Einige von ihnen sind heute noch in Betrieb.

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zuerst veröffentlicht am 9. März 2023, zuletzt aktualisiert am 21. August 2024

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Kurz zusammengefasst: Die Bhagwan-Bewegung in Köln

In den 1980er Jahren prägte die Bhagwan-Bewegung, auch bekannt als Osho-Bewegung, das Stadtbild Kölns und sorgte für viel Wirbel. Die spirituelle Gemeinschaft unter der Führung des indischen Gurus Bhagwan Shree Rajneesh zog zahlreiche Anhänger an und hinterließ tiefe Spuren im kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt.

Ankunft und Etablierung:

1981 eröffnete die Bewegung ein Zentrum im Belgischen Viertel, das zu einem Anziehungspunkt für Suchende wurde. Die Anhänger, erkennbar an ihren orangefarbenen Gewändern, prägten das Straßenbild und trugen zum bunten Flair des Viertels bei. Das Zentrum bot Meditationen, Workshops und Seminare an und lockte Menschen mit dem Versprechen “spiritueller Erleuchtung” und “persönlicher Transformation”.

Die “Bhagwan-Discos”

Neben ihrer spirituellen Ausrichtung erlangte die Bewegung auch durch ihre Diskotheken Bekanntheit. Die “Bhaggi” und die “Mellow” wurden zu beliebten Treffpunkten der Kölner Nachtszene und zogen ein junges Publikum an. Die Musik, geprägt von indischen Klängen und elektronischen Beats, sorgte für ausgelassene Stimmung und trug zum Image der Bewegung als weltoffen und modern bei.

Kontroversen und Schattenseiten:

Doch hinter der Fassade des spirituellen Paradieses verbargen sich auch Schattenseiten. Die Bewegung wurde von Kritikern als Sekte bezeichnet, die ihre Anhänger manipulierte und ausbeutete. Berichte über autoritäre Strukturen, psychischen Druck und finanzielle Abzocke sorgten für wachsende Skepsis und Ablehnung in der Öffentlichkeit.

Der Umzug nach Oregon und das Ende der Kölner Ära:

1984 verließ Bhagwan mit seinen engsten Gefolgsleuten Köln und siedelte sich in der Kommune Rajneeshpuram in Oregon, USA an. Dieser Umzug markierte das Ende der Blütezeit der Bewegung in Köln. Das Zentrum im Belgischen Viertel wurde geschlossen und die meisten Anhänger folgten ihrem Guru in die USA.

Nachwirkungen und Erbe:

Obwohl die Bhagwan-Bewegung Köln Ende der 1980er Jahre verlassen hatte, hinterließ sie bleibende Spuren. Die orangefarbenen Gewänder und die Musik der “Bhaggi” und “Mellow” sind bis heute in den Erinnerungen vieler Kölner präsent.

Die Bhagwan-Bewegung in Köln: Ein komplexes Phänomen

Die Geschichte der Bhagwan-Bewegung in Köln ist ein komplexes und vielschichtiges Kapitel der Stadtgeschichte. Sie war geprägt von spiritueller Suche, Lebensfreude und Gemeinschaft, aber auch von Machtmissbrauch, Ausbeutung und Kontroversen.

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Köln in den ersten Jahren der 1980er Dekade: Eine vielfältige Jugend präsentiert sich in unterschiedlichen Subkulturen wie Rock, Alternative, Pop und Punk. Selbst die aufkommende HipHop-Kultur der Jugend beeinflusst die traditionelle kölsche Musikszene, insbesondere die Bläck Fööss. Gemeinsam mit Künstlern wie Zeltinger und Bap erlebt die kölsche Musik erstmals einen deutschlandweiten Erfolg.

Die Stadt steht an einem Wendepunkt: Aus einer Industriestadt wird eine aufstrebende Kultur- und Medienmetropole. Ein Kaleidoskop kultureller Ereignisse etabliert Köln als einen Hotspot für Events. Innerhalb weniger Jahre entwickelt sich die Stadt zur wichtigsten TV-Produktionsstätte des Landes.

Zwischen dem majestätischen Dom und dem mächtigen Rheinufer fügt sich einer der fortschrittlichsten Museumsbauten Europas in das Stadtbild ein. Eine Vielzahl von Bürgerinitiativen drängt auf Mitsprache und präsentiert eine unabhängige Kino- und Kulturszene.

Trotz des kulturellen Aufschwungs beginnt in den 1980ern eine andauernde Wirtschaftskrise: Die Zahl der Arbeitslosen verdoppelt sich in kürzester Zeit, besonders unter Jugendlichen verdreifacht sie sich. Die einst als “Generation der Überzähligen” bezeichneten geburtenstarken Jahrgänge der 1960er leiden unter den schwierigen Arbeitsmarktbedingungen.

Gleichzeitig zeigt die Kölner Bevölkerung ihre starke Bindung zur Kirche: Das Domjubiläum 1980 und der erste Papstbesuch seit über 1.000 Jahren verleihen dem ehrwürdigen Köln Glanz alter Zeiten.

So präsentiert sich das Köln der 1980er Jahre als eine Stadt mit facettenreichen Lebenswelten. Einige berühren sich, andere leben aneinander vorbei, und wieder andere prallen hart aufeinander. Die Zusammensetzung dieser Einzelteile bildet das heutige Bild der Stadt. Verbunden mit Nachrichten und Ereignissen aus einer Zeit des Wandels entsteht eine lebendige filmische Reise in die 80er Jahre.


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