DUMMSE TÜNN TOT! – Kölns früherer Ludenkönig stirbt im Pflegeheim

Der Kölner Ludenkönig Dummse Tünn, im Hintergrund ein Anbahnungslokal Gereonswall Ecke Stavenshof

aktualisiert am 26. Februar 2024

Von STEPHANIE KAYSER

Köln – Als Köln als das Chicago am Rhein gilt: Die Verbrecher-Hochburg Deutschlands. Die 1960er und 1970er Jahre sind die Zeiten von Milieu-Größen wie “Schäfers Nas”, “Lange Tünn”, “Karate Jacky” & Co. Viele feiern die Kriminellen von damals heute als “legendäre Figuren”. Die werden immer weniger.

Wenige Tage nachdem wir diesen Artikel erstmals veröffentlicht haben, wird der Tod von Kölns früherem Ludenkönig Dummse Tünn bekannt. Seit seinem Schlaganfall 2016 lebte Anton Dumm (so der bürgerliche Name) in einem Pflegeheim in Troisdorf. Pflegebedürftig und auf Hilfe angewiesen. Ganz anders in seinen “besten” Jahren: Da hatte sogar die Polizei Angst vor Ihm.

Zeit für eine Zeitreise in die 1960er Jahre in Köln: Das Milieu ist auf den Ringen und im Friesenviertel zuhause, herrscht über den Eigelstein und die Brinkgasse. Prostitution ist überall, Sperrbezirke gibt es nicht.

Goldene Zeiten für Verbrechen

Von 1961 bis 1964 stieg die Zahl der jährlichen Straftaten in Köln um fast 6.000 (!) Prozent auf mehr als 48.600 Fälle. Nur jedes dritte Verbrechen wird aufgeklärt. Es geht um Prostitution, Hehlerei, Glücksspiel und Gewalt.

Anton Dumm
Im Dezember 1965 wird Anton Dumm festgenommen

Fotos: KiWi-Verlag,, Polizei Köln, Kölnisches Stadtmuseum/Facebook; Rheinisches Bildarchiv Köln/Heinz Held

Woran fast alle Milieu-Größen optisch zu erkennen sind: Schnauzer, Goldketten, Pelze, Vokuhila* und Minipli**. Anton Dumm alias “Dummse Tünn” ist anders gekleidet – wie ein “englischer Lord”, schreibt der Kölner Stadtanzeiger, der ihn damals den “König der Kölner Unterwelt” nennt***.

*Vorne-kurz-hinten-lang-Frisur

**die Dauerwelle, die auch Atze Schröder trögt

***Tatsächlich konkurriert Dummse Tünn jahrelang mit Schäfers Nas um den Titel, bis der ihn 1975 mit einem legendären Schlag K.O. haut.

Als der König verhaftet wird

Der ehemalige Berufsboxer Anton Dumm herrsch brutal und ohne Gnade. Nur die dicksten Karren, Porsche, Jaguar, Benz.

Die Polizei lässt ihn in Ruhe, wenn Dumm ohne Führerschein durch die Stadt fährt, Zeugen ziehen ihre Aussagen zurück und Opfer schweigen. Jahrelang. Bis Anton Dumm im Dezember 1965 verhaftet wird.

Am 11. März 1966 schreibt die “ZEIT”-Journalistin Nina Grunenberg über den Gerichtsprozess gegen Dummse Tünn. Der Überschrift des Artikels: “Der Kölner Lotterlord”. Ein Auszug:

“Der Kölner Lotterlord”

Nichts illustriert dieses Milieu besser als die Geschichte von Anton Dumm, der mit seinen Fäusten zwar nur in Köln gewirkt hat, dessen Ruf aber inzwischen weit über die Stadtgrenzen hinaus verbreitet wurde.

“Es gibt Leute”, so schrieb der “Kölner Stadt-Anzeiger”, “die sagen, daß er sich jahrelang zusammen mit seinen Knochenbrechern durch die Lokale am Ring geschlagen habe, daß zertrümmerte Theken, zersplitterte Gläser und gebrochene Nasenbeine seinen Weg nach oben gezeichnet hätten.”

Sechs Jahre lang versuchten Polizei und Staatsanwaltschaft vergeblich, das Früchtchen Dumm für längere Zeit aus dem Verkehr zu ziehen. Was sie auch gegen ihn vorbrachten – niemand drängte sich danach, Missetaten von “Dumm’se Tünn” zu bezeugen.

Schäfers Nas
Dumms Dauer-Konkurrent Schäfers Nas. Der besiegt ihn 1975 final

Opfer schweigt vor Gericht

Einmal wäre es fast so weit gewesen. Der Staatsanwalt meinte, ihn der Notzucht anklagen zu können: Der Toni hatte beim Tanz ein “leckeres Mädchen” kennengelernt und erbot sich gegen Morgen, sie nach Hause zu fahren. Statt aber den Weg zu ihrer Wohnung zu nehmen, fuhr er sie in die Nähe eines Baggerloches und bedrängte sie. Trotz Schlägen und Ringkampf “klappte” es nicht.

Das Mädchen entkam und verhielt sich “klassisch richtig”: Von einem Arzt ließ sie sich Würgemale attestieren und erstattete noch am gleichen Tage Anzeige bei der Polizei. Der Sachverhalt war eindeutig. Als jedoch der Staatsanwalt ihre Aussage vor dem Richter sichern wollte, war Toni schon eingestiegen: Er hatte dem Mädchen 900 Mark angeboten, falls sie auf Strafverfolgung verzichten würde. Das Mädchen schwieg und bekam vom Richter eine Ordnungsstrafe, die Dumm bezahlte.

Internationales Kicker-Turnier unter Luden,
Internationales Kicker-Turnier unter Luden, vorne die Kölner Fraktion

Die Frauen zahlen für seinen Luxus

“Dumm’se Tünn” hatte immer Geld, obwohl er nur symbolisch zu arbeiten schien, einmal als Portier, das andere Mal in einer Schlosserwerkstatt. Er wohnte in einem luxuriösen Appartement und fuhr nur Porsche und Mercedes – gestiftet von den Mädchen, die er für sich laufen ließ. Statussymbole, die seinen Ruf nur noch vergrößerten.

Dummse Tünn
Das Polizei-Foto vom Dummse Tünn

Polizeibeamten pflegte er den “Götz von Berlichingen” zu entbieten. Gastwirte sollen die Bierhähne freiwillig und unentgeltlich aufgedreht haben, wenn Anton Dumm im Anmarsch war, 28 Jahre alt, 1,70 Meter groß, 165 Pfund schwer und erstaunlich gut aussehend, von der Ferne aus betrachtet. So schildert es der Kölner Polizeireporter Björn Held, dem der Raufbold drohte:

“Wenn ich den kriege, dreh ich ihm den Kopf auf den Rücken und schlage ihn sechseckig.” Dumms Verteidiger hatte schon einmal in einer Verhandlung bestätigt: “Wo mein Mandant hinschlägt, wächst kein Gras mehr.”

Chicago am Rhein

MEHR ZUM THEMA HIER: Der Kölner Filmemacher Peter F: Müller hat mit den Dokumentationen “Chicago am Rhein” (2009) und “Wir waren das Miljö” (2011) die kölschen Milieugrößen und gesetzlosen Zeiten eindrucksvoll porträtiert.

Im KiWi-Verlag ist das Buch zu den Dokumentationen erschienen, mit vielen exklusiven Fotos: “Chicago am Rhein – Geschichten aus dem kölschen Milieu” (14,99 Euro).

Sympathien für einen Ganoven

Um so merkwürdiger findet es Staatsanwalt Födisch, daß die Kölner nicht nur aufatmeten, sondern manche noch Sympathie und Bedauern verspürten, als Anton Dumm am 1. Dezember des vergangenen Jahres festgenommen wurde. Der Haftbefehl war das Ergebnis systematischer Teamarbeit zwischen Kriminalpolizei und Anklagebehörde.

Verhaftet wurde Dumm wegen dringenden Tatverdachts der Notzucht am Decksteiner Weiher im Sommer 1963. Die Beamten hatten lange suchen müssen, bis sie jemanden fanden, der ihnen diese Information gab: Ein Kölner Barmädchen, das nachts als “Häschen” im Play-Club Dienst tut, soll dort von Dumm und seinem Clan, insgesamt 13 Männern, vergewaltigt worden sein.

Von den Dumm-Bewunderern wird das Unternehmen als reiner Wohltätigkeitsakt dargestellt; bekannt sind von den 13 Personen auch nur sieben. Das Mädchen aber hat Anton Dumm erkannt. Im Schutze des Haftbefehls arbeitete die Anklagebehörde weiter und sammelte schließlich fünfzehn Fälle, die den Buhmann zur Strecke bringen sollen:

Notzucht in zwei Fällen, versuchte Notzucht in Tateinheit mit Entführung und Körperverletzung, Zuhälterei in zwei Fällen, Körperverletzungen in sechs Fällen, zum Teil gemeinschaftlich, zum Teil gefährlich, Fahren ohne Führerschein in fünf Fällen.

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Terror-Drohung gegen Gericht

Dumm verschwand, zuerst im Kölner Klingelpütz, und – als der zu durchlässig schien – im Düsseldorfer Untersuchungsgefängnis. Der Terror aber blieb. Von Dumms Freunden wurden Staatsanwalt und Richter bedroht: Sie wollten eine Bombe im Gerichtsgebäude am Appellhofplatz explodieren lassen, falls Dumm – in einer anderen Verhandlung wegen Körperverletzung angeklagt – nicht freigesprochen würde.

Während der Sitzung, zu der Damm unter strenger Bewachung nach Köln gebracht worden war, erblickte Staatsanwalt Födisch eine Reihe alter Knastkameraden im Saal, Vertrauensmänner hatten ihm zugetragen, der Dumm-Clan wolle ihn “zu Fall bringen”. Gerichtsdiener waren mit Waffenscheinen und Pistolen ausgerüstet worden. Wildwest auf den Gerichtsfluren.

So ging es weiter

Am Ende wird Anton Dumm zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach der Haft bleibt er im Milieu aktiv, unterliegt 1975 aber endgültig im Kampf um die Vorherrschaft gegen Schäfers Nas. Der haut ihn mit einem Schlag um. Später arbeitet Dummse Tünn als Leibwächter für Romy Schneider, führt noch viel später einen Reiterhof in Rath.

Der Reiterhof kommt 2007 in die Schlagzeilen, weil der Sohn von Dummse Tünn kurzfristig einen Mann kidnappt, den er verdächtigt, ins Geschäfts seiner Partnerin eingebrochen zu sein. Dummse Tünn hatte damit nichts zu tun. Sein Sohn bekommt zwei Jahre auf Bewährung wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

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