Von LEO LUDWIG*
Köln – Fine Dining-Konzepte fallen in Köln auf fruchtbaren Gastro-Boden. Immer neue Ideen sprießen – und gutes Essen muss auch nicht teuer sein. Drei-Gänge-Menüs gibt es häufig für 40 bis 50 Euro (exklusive Getränke).
Zeit für die „Caruso Pastabar“ im Agnesviertel. Mit einem befreundeten Pärchen verabrede ich mich hier in der Woche zum Essen. Achtung, Spoiler: ein klasse Laden, aber von italienischer Gemütlichkeit schmeckt man hier nicht viel.
Reservierung nur mit Kreditkarte für ZWEI Stunden
Erste Hürde vorab: Ohne Reservierung hast du quasi KEINE Chance auf einen Tisch. Zweite Hürde vorab: Für eine Reservierung brauchst du eine gültige Kreditkarte. Erster Dämpfer bei der Reservierung: Du kannst maximal ZWEI Stunden Restaurant-Zeit reservieren.
*Unabhängig, kritisch und immer auf der Suche nach einem neuen Gaumenschmaus in Köln. Unser professioneller Test-Esser “Leo Ludwig” ist ein Kenner der Kölner Gastro-Szene. Für seine Kritiken besucht er die Restaurants als normaler Gast und zahlt für seine Rechnungen. Um auch in Zukunft unbestechbar und unauffällig testen zu können, schreibt er bei YES WE KÖLN unter einem Pseudonym. Die ehrliche Gastro-Kritik.
Ein Abend unter der Woche, ich habe ein Zeitfenster für einen Tisch für Drei bekommen. Das kleine Ecklokal ist schlicht gestaltet, die Platzzahl ist übersichtlich, die Einrichtung einladend. Kaum am Tisch kommt die stets aufmerksame Bedienung, auch die Patronin begrüßt und berichtet über Wein und Speisen.
Als Aperitif genehmigt mein Begleiterpärchen sich jeweils einen Ramazzotti Rosato mit Prosecco (je 7,50 Euro), ich mir einen Vermouth Tonic. Allesamt erfrischend! Die Karte der Pastabar ist übersichtlich, dennoch muss man sehr genau lesen: Man wählt bereits zu Beginn (!) alle drei Gänge für je 48 Euro pro Person (vegetarisch 42 Euro).
Angenehm: Man muss nicht klassisch Vorspeise-Hauptspeise-Dessert wählen, sondern kann frei aus allem, maximal drei Gerichte wählen. Und: Jede weitere Bestellung für Besucher mit großem Hunger wird mit zehn Euro berechnet.
Geschmacksexplosion beim Oktopus
Mein Begleiterpärchen wählt als Vorspeise für sie den Oktopus mit Chicorée, Rosmarin-Kartoffelcreme, Chili-Sellerie und Aioli (Foto oben), sowie für ihn den gebeizten Bio-Lachs mit Fenchel, Mango-Chutney, Quinoa und Rettich. Ich entscheide mich beim ersten Gang für das kurzgebratene Kalbstatar mit Salsa Tonnata, Löwenzahn, grüner Soße und roten Zwiebeln.
Der Oktopus ist eine gute „Geschmacksexplosion“. Der Chicorée zeigt Präsenz, Sellerie und Chili tanzen auf der Zunge Tango, ein feiner südamerikanisch angehauchter Rausch. Auch der Bio-Lachs überzeugt: „Sehr würzig und fruchtig.“ Mein Kalbstatar begeistert ebenso, vor allem durch die Kombinationen. Wäre der erste Gang eine Eislauf-Kür, das Caruso hätte die volle Punktzahl erhalten.
Zwischen Traum und Durchschnitt
„Pasta ist Liebe und die braucht Zeit“ lautet das Credo des neapolitanischen Patron-Pärchens, das 2011 eigentlich zum Deutschlernen nach Köln kam und 2013 erst in der Südstadt mit seiner Pastabar begeisterte. Die Lautstärke im Laden ist angenehm, nichts lenkt ab, nicht mal das Arbeiten in der offenen Küche.
Für die zweite Runde haben meine beiden Begleiter mit Vorfreude die Caserecce mit Kaninchen-Ragu, Beurre blanc und Mandel-Gremolata gewählt. Dazu trinken beide den von der Gastgeberin empfohlenen Weißwein, einen 2021er Selva aus Kampanien (0,15 Liter je 7,50 Euro). Ich dagegen wage die Spagetti mit kleinen Kraken (Moscardini), Kirschtomaten, Basilikum und Panko – und bleibe für den Rest des Abends beim den Kritiker-Gaumen wohlwollenden stillen Wasser.
Vom Kaninchen sind meine Begleiter etwas enttäuscht. Nicht, weil es nicht mundet, sondern weil es nicht überrascht. Handwerklich und geschmacklich gut, auch die Pasta, aber es fehlt der Pfiff, das die Erwartungen Übertreffende. Anders meine Spagetti mit Kraken, die in einer tollen Tomatensoße mit Oliven daherkommen. Ein italienischer Traum, der einem kulinarischen Abstecher ins Mittelmeer gleichkommt.
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Booking.comDer letzte Gang?
Die Zeit bei „Caruso“ verfliegt. Die Portionen sind auskömmlich und nicht häppchenhaft klein, wie man es eigentlich auf so einem Niveau erwartet. Für die Abschlussrunde hatten meine Begleiter eigentlich beide die Käseplatte gewählt, doch die Bedienung macht eine süße Alternativwahl für sie kurzentschlossen noch möglich.
Während er beim Käse bleibt, wählt sie das Tiramisù aus Espresso-Eis, Mascarpone Garnache, Schoko-Erde und Savoiardi. Ich dagegen bleibe beim Herzhaften: den Papardelle mit Enten-Bolognese, Orangenzesten und Kräutern.
Das Tiramisù überrascht eisig und ist sehr gut. Die Käseplatte kommt meinem Begleiter trotz sechs verschiedener Sorten und Dips wie Birnen-Senf-Marmelade oder einem Chutney aus roten Zwiebeln zwar etwas gleichförmig komponiert vor, ist geschmacklich aber dennoch top. Meine Enten-Bolognese duftet herrlich nach Koriander und Orange. Eine einfache Kreation eines italienischen Klassikers mit Geflügel, die meine Begeisterung nach zwei Runden weiter steigert.
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Booking.comEin Abend gegen die Zeit
Gut gelaunt wäre jetzt eigentlich ein Absacker und mit etwas Abstand die Rechnung dran gewesen. Doch stattdessen blicke ich auf die Uhr. Fünf Minuten haben wir gemäß Reservierung noch, dennoch entscheide ich mich noch für einen Nachtisch: die Cookies Eiscreme mit roter Grütze, Rhabarber und karamellisierter weißer Schokolade.
Während ich auf mein i-Tüpfelchen des Abends warte, sehen wir schon die Nachfolger für unseren Tisch ankommen und warten. Und das ist der Makel, den ich am Anfang meiner Kritik bereits andeutete. Diesen Nachgeschmack kann leider auch das sehr gute Dessert nicht retten.
Verbringe ich einen tollen Abend italienischer Gastlichkeit mit guten Freunden und guten Speisen will ich doch nicht auf die Uhr gucken müssen. Oder das Gefühl bekommen: da wartet schon der nächste, der auf meinen Tisch scharf ist. Das schreckt ab, dabei hätten wir bestimmt noch beim Plaudern eine Flasche Wein oder etwas anderes zum gemütlichen Ausklang genommen.
Letztlich bleiben wir 2 Stunden und knapp 15 Minuten. Höflich zum Gehen werden wir zwar nicht gebeten, aber die Bedienung macht kommunikativ deutlich, dass wir langsam zum Ende kommen müssen.
Fazit
Tolle hausgemachte Pasta, gute Kreationen, warme Teller, richtig temperierte Speisen, sehr aufmerksame Bedienung, individuell hübsch gestaltete WC-Räume… – die Liste der Pros für das „Caruso“ könnten wir bestimmt noch länger machen.
Eigentlich eine glatte Eins, aber diese amerikanisch anmutende Temporärtisch-Reservierungs-Unart behagt uns gar nicht. Daher ziehen wir nach dem Essen noch in eine der typischen Veedelskneipen im Agnesviertel. Schade.
Endnote: eine betrübte 2+
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