Hans Gerling (†76) und sein Büro heute (Artikel zuerst veröffentlicht am 11. Mai)
Von STEPHANIE KAYSER
Köln – Gut 100 Quadratmeter groß, meterhohe Fenster, sogar die Domspitzen sind zu sehen. Dieses Bonzen-Büro war die Schaltzentrale von Hans Gerling, Chef des früheren Versicherungsriesen. Jahrelang hatte hier niemand mehr das Sagen. Bis jetzt.
Dank der Internationalen Hochschule IU ist das Leben zurück im davor ausgestorbenen Herzstück des Gerling-Quartiers. Aus dem 3.600 Quadratmetern Verwaltungsgebäude am Friesenplatz ist ein Campus geworden.
Bis zu 700 Studierende lernen im früheren Prachtbau des Kölner Versicherungskonzern. Ende April hat die IU ihr neues Hauptquartier bezogen. So findet die Gerling-Geschichte in Köln doch noch eine Fortsetzung in Köln irgendwie.
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Booking.comDas 100 Quadratmeter große XXL-Büro von damals ist heute der Vorzeige-Hörsaal der Studierenden. Der “Venezianische Saal” mit der berühmten Bar, wo Hans Gerling früher mit den Mächtigen parlierte, ist heute Rückzugsort für Lernende. Aber bis auf die neuen Tische und Stühle sieht alles so aus wie früher. Denkmalschutz.
Nach drei Jahren hat der Eigentümer Quantam die aufwendige “Revitalisierung” abgeschlossen, in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalschutz.
Überall Weltkugeln
Die Prunk der alten Zeiten gibt dem Campus eine erhabene Atmosphäre. “Das ist hier next Level”, findet Marketing-Student Omerovic Hajrudin. Seit zwei Wochen laufen hier die Vorlesungen. “Aber seitdem haben wir lange noch nicht alles gesehen, entdecken jeden Tag was Neues”, sagt Kommilitonin Andrea Hahn.
“Globale” ist der Name des Hauses, was Einiges über das frühere Selbstverständnis der Gerlings verrät. Weltkugeln als Türgrille, Weltkugeln als Lampen, Naturstein an Wänden und Böden, wahlweise auch flauschiger Teppich. So eine Hochschule ist einmalig in Deutschland.
Im Prachtbau der 1950er Jahre geht es statt um Versicherungen und Prämien jetzt um Soziale Arbeit, Marketing oder Kommunikation. “Für unsere Studierenden und uns war der Einzug ein ganz besonderer Moment”, sagt Andrea Bender, die Kölner Hochschuldirektorin.
Neben dem Hauptstandort im Gerling-Quartier hat die IU einen zweiten Standort in Bayenthal. Insgesamt studieren 2000 junge Menschen an der Hochschule in Köln. Es gibt mehr als 25 Präsenz-, Fern- und Duale Studiengänge. Die Bachelor-Studienkosten pro Monat liegen bei knapp 400 Euro. Bei Dualen Studiengängen trägt die Gebühren in der Regel der Arbeitgeber.
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Booking.comDie Geschichte der Gerlings
2006 schien das letzte Kapitel der Gerling-Story geschrieben. 102 Jahre nach Gründung musste Rolf Gerling, der Enkel des Gründers, das Erbe (mangels Erfolg) an den Versicherungsriesen Talanx verkaufen. Der entließ in Köln 800 der 2.900 Mitarbeiter und zog vom Gerling-Quartier in die Messehallen zur Miete. Die Immobilie wurde verkauft.
Robert Gerling hatte sein Versicherungsbüro 1904 gegründet. Als er 1935 überraschend im Alter von 57 Jahren starb, hinterließ er kein Testament. Mit dramatischen Folgen für seine Söhne. Die drei Brüder lieferten sich – als sie volljährig waren – über Jahre einen erbitterten Erbstreit. Sie prozessierten mehr als 60 (!) Mal vor Gericht. Am Ende gewann der Zweitgeborene Hans Gerling und nahm den Chef-Sessel ein.
Wirtschaftswunders: Hans Gerling
Foto: Imago/Sven Simon
Hans Gerling machte den Konzern zur größten Familien geführten Versicherung in Europa. Er war eine der Gallionsfiguren des deutschen Wirtschaftswunders. Seine neue Firmenzentrale am Friesenplatz zeigte das. Nicht alle Menschen in Köln waren vom Bau begeistert, viele fühlten sich an das Dritte Reich erinnert. Der von Gerling engagierte Architekt Arno Breker war in Nazi-Deutschland von Adolf Hitler persönlich protegiert worden.
Trotz aller wirtschaftlichen Weitsicht verspekulierte sich Hans Gerling 1974 mit einer Privatbank und musste den Großteil seiner Anteile verkaufen. Mit beispielloser Hartnäckigkeit holte er sich 1986 das Unternehmen zurück. 1991 starb Hans Gerling. Nur 15 Jahre später war Gerling Geschichte.
Titelbild-Kollage: Imago/Sven Simon (Archivbild)
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